Nix wie weg!
Irgendwie ließ mich die Wäscheleine heute Nacht nicht los.
Gegen 03.00 Uhr hörte ich meine Zimmernachbarin. Ich schaute aus dem Fenster
und da war nur noch meine Wäsche draußen. Warum sammelt die ihre Wäsche
mitten in der Nacht ein? Ich habe meine Sachen dann sicherheitshalber auch ins Zimmer
verfrachtet. Wäre doch blöd, wenn in der Früh alles weg wäre.Am Morgen staunte ich nicht schlecht, als am Frühstückstisch ein junger Mann saß. Er kommt aus Kanada und macht eine vierwöchige Europatour. Von ihm wurde ich zum ersten Mal auf meiner Wanderung nach meinem Beruf gefragt. Unter den Pilgern wird diese Frage eigentlich nie gestellt.
Ich überlegte mir nochmal wie die Frauenunterwäsche auf die Leine rauf
kam. Er wird doch nicht selbst…?
Da kam mir rasch der Gedanke, jetzt aber nix wie weg!
Vor der Haustür schaute ich nochmals hoch und stellte fest,
dass ich dem armen Mann Unrecht getan hatte. Die Wäscheleine
reichte nämlich auch bis zur Wohnung der Besitzer. Sorry.
Und meine Schuhe sahen wieder aus wie neu! Es stand einem
Tanzabend heute also nichts mehr im Wege:-) Die VF heute war durchschnittlich
schön. Es war natürlich auch Asphalt dabei, aber so gut wie kein Verkehr.
Ein Künstler hat 13 Glasbilder aus dem Leben Jesu angefertigt und entlang dieses schönen Wegstückes aufgestellt.
Hier noch ein Tipp. Ein Pilger hat mir gezeigt, dass er einen Pfefferspray im Rucksack hat. Ich habe meinen immer griffbereit in der Hose. Erstens für den Fall dass ich gerade den Rucksack irgendwo abgelegt habe. Und im Falle der Notwendigkeit besteht zweitens sowieso keine Zeit mehr das Ding aus dem Rucksack zu holen. Ein Pfefferspray muss griffbereit an der Hose sein und sonst nirgends.
Jedenfalls schaute ich noch viele Male zurück und dachte
mir, nix wie weg!
Eine Nachricht vom Kanadier Rik an Marc. Marc war also noch
nicht hier. Vielleicht ist er später los oder er hat doch den anderen Weg genommen.
Alles klar?
Die Oliven brauchen auch noch ihre Zeit.
Meine Karte zeigte geradeaus. Aber Gigi wollte mich nach rechts überreden.
Es war erst kurz nach eins. Zuerst nach rechts bis zum Rathaus. Interessant die große Uhr und die Glocken am Rathaus, obwohl direkt gegenüber die Kirche stand. Erinnerte mich ein bisschen an "Zurück in die Zukunft".
Irgendwie alles schmutzig. Dann in die Gegenrichtung nach links, irgendwie alles schmutzig. In einer viel zu modernen Bar für diesen Ort nahm ich als einziger Gast mein CD von einer unfreundlichen jungen Bedienung entgegen. Meine Begrüßungen während des Spazierganges durch Vetralla fielen überhaupt nur auf wenig Gegenreaktionen. Macht das die Nähe zu Rom aus? Was für ein Unterschied zu damals, bei den freundlichen Menschen in Buonconvento!
Was habe ich mir an diesem Ort gedacht? Klar, die Nacht
durchtauchen und dann nix wie weg!
Aber man sollte einem Ort auch eine zweite Chance geben.
Ich landete in einem kleinen Geschäft, weil
ich einen neuen Kugelschreiber brauchte. Die Verkäuferin war sehr freundlich.
Sie gab mir auch gleich eine Empfehlung für ein Lokal in der Nähe und meinte noch, dass es
in Vetralla viele gute Speiselokale geben würde! Echt?
Ich ging zurück zum „Da Benedetta“. In der Bar telefonierte
jemand nach einer Frau, die wegen meiner Reservierung in 2 Minuten hier sei.
Die junge Frau kam mit einem jungen Mann in einem Auto daher. Ich war am
falschen Ort. Das Restaurant gehört aber auch zu ihrer Familie. Sie fuhren mich
mit dem Auto etwa 300 Meter weg, zu einem lieben kleinen Hotel. Ich habe ein
großes Zimmer, ein großes Bad und sogar einen Balkon. Alles sehr sauber. Ich bin offensichtlich der einzige Gast.Ich machte später noch einen Abendspaziergang und versuchte ein paar schöne Bilder aufzunehmen. Diese möchte ich hier veröffentlichen. Es bleibt aber dabei, Vetralla muss man nicht gesehen haben.
Die Chiesa San Francesco in der Abendsonne.
Ich vermute, dass es sich hier um die Via Cassia antica handelt.
Ein markanter Wehrturm, die Rocca di Vetralla, dürfte im Mittelpunkt der Stadt gestanden sein.
Was soll ich sagen? Ich ging heute Abend wirklich noch in das Lokal der Familie. Die Empfehlung der Verkäuferin war mir nun ein bisschen zu weit weg. Und vom Äußeren eines Lokales habe ich mich in den letzten zwei Wochen schon öfter täuschen lassen. Und so war es auch hier. Das Lokal machte innen einen sehr gepflegten Eindruck und wurde von Einheimischen recht gut besucht. Ich aß hausgemachte Pasta und dann ein Kaninchen mit gegrilltem Gemüse. Sie kochten nach Rezepten der Großmutter. Daher will ich mal verzeihen, dass sehr viele kleinzerhackte Knochen im Ragout zu finden waren. Wahrscheinlich hat schon die Großmutter das Kaninchen grob zerhackt, anstatt zerlegt. Ich würde sowohl das Hotel als auch das Lokal weiterempfehlen.
Der heutige Saluto speciale geht an …
Madeline. Liebe Grüße aus Italien. Auch an Christine,
Gerhard und Lion.
Hoffentlich zeigt sich das Wetter bei den letzten Etappen von der schönen Seite, damit es ein unvergesslicher Abschluss wird. Kannst du dir schon vorstellen, dass der Weg bald ein Ende haben wird?
AntwortenLöschenP.S. Der Koffer ist heute um 4:15 in Fiana Romana (60 km süd-östlich von dir) in ein Zwischenlager eingerollt. Zustellung evtl. morgen - so hoffe ich.
LG, Il tuo fratello
Hallo Armin
AntwortenLöschenVielen Dank. Ich bin sehr froh darüber. Der Koffer ist in Rom schon angekommen. Hat super geklappt.
Zum dritten Mal: Es heißt nur "tuo fratello". Liest du meine Antworten nicht? Frag mal nostra madre, sie sollte das auch wissen.
Tanti Saluti
Tuo fratello und schöne Grüße an tua moglie.