Freitag, 16. Mai 2014

16.5.2014 – Tag 6 – Von Gambassi Terme nach San Gimignano

Link zu Routenflug mit Google-Earth: Von Gambassi Terme nach San Gimignano

Frühstück war erst um 08.30 Uhr, so dass ich erst spät wegkam. Beim Frühstück traf ich noch den „Professor“ mit den zwei Damen, die in derselben Unterkunft nächtigten. Sie kommen aus Nürnberg und sind ein lustiges Trio. Sie gehen  von Nürnberg nach Rom, teilen das aber jedes Jahr auf einige Tage auf. Nächstes Jahr haben sie ihr Ziel erreicht und der Professor wünscht sich, dass er vom Zimmer das Papstes runterwinken darf;-)
Aber dann: Auf geht’s Bua! Es ging der Chianti-Grenze entlang, zumindest so ungefähr. Für die 15 km hatte ich kein Essen eingepackt. Und Wasser hatte ich bislang immer genug dabei.



 
Kurz nach Gambassi kam mir eine Solo-Wanderer entgegen. Er geht zu Fuß von Rom nach Santiago. Er startete Anfang Mai und will im September ankommen. Uff! Da kam ich mir vor wie Guildo Horn vor Michael Jackson.

Meine Einschätzung vor der Reise, dass ich nur auf etwa 5 Pilger oder Pilgergruppen treffen werde, war für die gesamte Tour gedacht. Da war ich ziemlich falsch gewickelt. Aber tatsächlich bezieht sich das auf den Tag. Ich treffe auch immer dieselben Personen. Da sind die älteren Franzosen und die jüngeren Franzosen. Die Briten, die Schweizer, die Holländer und die Deutschen. Ein kurzer Schwatz geht sich immer aus. In diesem sprachlichen Mischmasch wird auf Grammatik dann nicht mehr geachtet. Da geht es einfach zur Sache. Und was man nicht versteht, reimt man sich zusammen.

Ich war gut drauf und wurde nachlässig. Das Ergebnis war, dass ich mich verlaufen habe. Steil hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter, verlor ich etwa 45 Minuten. Zu diesem Zeitpunkt war ich heilfroh über das GPS-App auf dem Handy. Das brachte mich wieder zurück. Ab diesem Zeitpunkt wurde ich übervorsichtig.


 
Am richtigen Weg wieder angekommen, schaute ich zurück. Ein rotes Kreuz bedeutet "falsch". Das hätte ich vorher auch brauchen können.

 
Solche Pausenplätze sind rar und ich wollte heute sowieso ohne Pause durchgehen.


Ein paar Eindrücke vom Weg. Heute war bewölkt, aber angenehm zum Gehen.






Unterwegs kam ich zu einem Agriturismo (San Pietro) das wunderschön aussah. Vormerken für Urlaub. Leider habe ich von der Anlage kein Bild gemacht, aber ich dürft mir vertrauen.


 
Dann passierte mir etwas Außergewöhnliches. Als ich vor zwei Jahren begann, mir einen Weg für meine Auszeit zu suchen, kam ich auf den Blog von Netia aus Australien. Ihre Berichte und Fotos auf ihrem Weg von Canterbury nach Rom waren für mich der Ausschlag, dass ich mich für die VF entschied. Sie hat mir dann auch noch ein paar Tipps per Email im Zuge der Vorbereitung geschickt. Siehe auch: http://wheresnetia.wordpress.com/2012/06/21/gambassi-to-san-gimignano/

Weil ich heute Morgen noch auf das Frühstück warten musste, habe ich mir ihren Bericht über die heutige Etappe durchgelesen.
Ich war also ganz locker unterwegs und sah an einem Haus eine Muschelmarkierung des Jakobsweges. Der Hausbesitzer kam gleich daher und hat mich in ein Gespräch verwickelt. Er nahm mich am Arm, zog mich in sein Anwesen und sprach über Gott und die Welt. Plötzlich sah ich ihn an und sagte: „Ich weiß etwas über Sie!“ Er schaute mich groß an und ich erzählte ihm, dass er schon vor zwei Jahren eine australische Pilgerin auf einen Schwatz in seinen Garten eingeladen hatte. Er konnte sich nicht mehr erinnern, aber ich musste ihm die Homepage von Netia bekannt geben.

Zuerst mein heutiges Bild und dann jenes von Netia vor 2 Jahren. Ich habe noch heute Luigi die Bilder und Links geschickt. Ist das zu fassen? So klein ist die Welt.

 
 
Weiter ein paar Eindrücke. Mit den Hunden schließe ich langsam Freundschaft, nachdem ich eine andere Version nun probiere. Einem Franzosen habe ich von meinem „Defcon 2“  (1. Etappe) erzählt. Er meinte, dass er das ganz anders mache. Wenn ein Hund bellend auf ihn zulaufe, würde er Kussgeräusche machen, auf seinen Oberschenkel klopfen und dem Hund zurufen, dass er herkommen solle. Das würde sehr gut funktionieren. Er sagte weiter, das würde daran liegen, dass der Hund sich in diesem Moment nicht auskennen würde und daher mit dem Bellen aufhören würde. Das sei wie bei den Frauen, schloss er lachend ab.



 
Noch was zur Hundethematik. Ich ging ich heute einen Hügel hinunter. Zwei Hunde in einem Zwinger bellten mich noch oben wie verrückt an. Die ganzen Bussigeräusche halfen nichts. Als ich weiterging hörte ich gegenüber auf dem anderen Hügel wieder lautes Bellen. So wusste ich also, dass ca 2 km vor mir auch Pilger unterwegs sind. Später hörte ich hinter mir wieder lautes Bellen. Also waren ca 1 km hinter mir auch Pilger unterwegs. Das Gebelle kann daher sehr praktisch sein.
In Pancole suchte ich nach einer verfallenen Kapelle mit der interessanten Geschichte von Bartolomea Ghini. Sie sei ein taubstummes Kind armer Eltern gewesen. Ihr soll eine Frau erschienen sein, die sie nach Hause geschickt habe. Dort habe sie Essen aufgefunden und sie habe seit diesem Zeitpunkt wieder hören und sehen können. Dort wo die Frau erschienen sei, soll eine verfallene Kapelle stehen, mit einem Bild der Madonna mit einem Kind das gestillt wird. Die Geschichte datiert aus dem 18. Jahrhundert, wenn ich richtig informiert bin (Verzeiht, wenn nicht alles so genau ist, aber ich möchte derzeit auf Wikipedia etc verzichten).

Ich fand die Kapelle leider nicht. Dafür eine Grotte mit der Weihnachtsgeschichte.
 




 
Langsam bekam ich Hunger. Der Umweg, das Palavern mit anderen Pilgern und das Fotografieren verlängern nun mal die Zeit. Ein erster Blick nach San Gimignano. Noch ca 2 Stunden.

 
Noch ca 1 Stunde. Mein Magenknurren wird sicher die Glocken von ganz San Gimignano übertönen.
 
Kurz vor dem Ziel schloss ich auf die älteren Franzosen auf, die mit einem jungen Italiener namens Antonio unterwegs waren, der vor Siena nach Assisi abzweigen wird. In San Gimignano haben wir an der Piazza Sant' Agostino noch einige Zeit verbracht und uns unterhalten.  Ich habe meinen ersten Hunger mit Pasta und Sugo aus Wildschein gestillt. Perfetto. Ein Musiker, der etwas von Jonny Depp hatte, hat uns die Zeit noch angenehmer gemacht. Es kamen dann noch die Holländer und die jüngeren Franzosen dazu. Die halbe Pilgerfraktion traf sich an der Piazza.





Meine Unterkunft wurde erst ab 15:30 Uhr geöffnet. Gemeinsam mit den Deutschen und den jungen Franzosen bezogen wir unsere Zimmer. Naja, gegenüber gestern keine Steigerung. Aber ein eigenes Zimmer mit eigenem Bad ist schon was wert.



 
 
Gerade als ich in der Dusche stand - ihr wisst, wie man in diesem Moment bekleidet ist - klopfte es mehrfach an der Tür. Ich rief ein paar Mal "un momento". Sie meinte aber, dass sie mir nur die Handtücher bringen wolle. Also öffnete ich ganz versteckt die Tür, ich weiß ja in welchem Haus ich mich befinde, und von links kam die Hand der Suora mit den beiden Handtüchern vorgestreckt, soviel Distanz wir nur möglich.
 
Für morgen habe ich in Monteriggioni vergeblich nach einer entsprechenden Unterkunft gesucht. Entweder eine religiöse Unterkunft mit Schlafsack (habe ich nicht dabei) oder eine Jugendherberge.  Sonst war nichts zu finden. So habe ich im Internet herumgesucht und in Strove was gefunden. Daher wird die morgige Etappe von 30 km etwas verkürzt werden. Preislich außerhalb des Pilgerbudgets, aber was soll's. In meinem Alter brauch ich was Anständiges. Außerdem ist morgen große Wäsche angesagt. Eine Waschmaschine wäre langsam nicht schlecht, aber ich weiß ja nicht mal richtig, was ich zusammen schmeißen darf. Schlecht vorbereitet - großes Minus an mich.
Dann noch ein Spaziergang durch San Gimignano mit den berühmten Geschlechtertürmen. Die Familien hatten sich übertreffen und jeder den noch höheren Turm bauen wollen. Irgendwann wurde die Höhe begrenzt. Wer möchte ohne Lift auch da oben wohnen? Sie sind bis zu 60 Meter hoch. Es gab mal ca 70 solcher Türme. Nun stehen noch etwa 15.

 
Am Abend ging ich auf Besichtigungstour durch diese außergewöhnliche Stadt, die sich immerhin und zurecht als Weltkulturerbe bezeichnen darf. Hier ein paar Eindrücke.






 
 
Auf meinem Spaziergang durch die Stadt, sah ich eine Figur von Antony Gormley aus Horizon Field. Die Vorarlberger sollten wissen, wovon ich spreche. Eine Einheimische sagte mir, dass die Figuren schon seit ein paar Jahren dort stehen würden.

Warum soll man dem Antony das auch verdenken? Wenn was in Vorarlberg klappt, warum nicht in der ganzen Welt oder waren wir am Ende die Letzten?

 
Eine wunderschöne Stadt mit dem Zentrum an der Piazza Cisterna. Er einzige Wehrmutstropfen ein Lokal mit lauter Diskomusik und entsprechender Diskobeleuchtung. Das passt einfach nicht hierher.


Und direkt daneben, eine Gelateria mit dem angeblich besten Eis der Welt. Ich habe heute von anderen Leuten gehört, es soll zumindest das beste Schokoladeneis der Welt dort geben. Ich kann das nicht sagen, es war mir zu kalt für Eis.

 
Zum Abendessen suchte ich mir ein nettes Restaurant aus. Das Alleinspeisen nervt nun wirklich langsam. Auch die schlabbrigen Jeans und die staubigen Schuhe zehren an meiner Eitelkeit.
Ich habe aber sehr gut gegessen und hatte dann das Glück, dass neben mir ein junges Ehepaar aus der Nähe von Essen saß. Wir haben uns toll unterhalten, was ich sehr genossen habe. Christoph (mit ch und ph;-)) und Denise, ich wünsche euch noch eine schöne Woche in und um San Gimignano. Viel Erfolg bei der Wegesuche mit dem Wanderführer, aber so bleibt es spannend.



My Saluto speciale for this day goes to…
Netia from Australia. Thank you for your wonderful stories and photos two years ago. These were the reason, why I’m now on the VF. And I don't regret it. Thanks a lot.

Und nun gute Nacht in einem Himmelbett. Obwohl ich noch mit mir herumstreite, wer unten schläft. Ich oder Ich.

Bis morgen.
Andi



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