Dienstag, 13. Mai 2014

13.5.2014 – Tag 3 – Von Lucca nach Altopascio


Link zu Routenflug mit Google-Earth: Von Lucca nach Altopascio

Heute ging es endlich richtig los. Ich habe schon gemerkt: Ich bin ein schlechter Warter. Ich bin lieber in Bewegung. Kurz vor 09:00 Uhr marschierte ich dann also los. Leichter Regen war nur zu Beginn. Das Wetter wurde im Laufe des Tages immer besser.

Durch die Porta Elisa wurde ich in eine neue Erfahrung hinausgesogen.

 
Blick zurück zur Porta Elisa.

 
Draußen erwartete mich sofort eine einwandfreie Beschilderung. Es gibt verschiedene Hinweiszeichen und die sind ausreichend vorhanden. Das GPS habe ich nicht gebraucht. Ich habe nur einmal geprüft, ob mein Weg zwischen GPS und der Map übereinstimmt. Das tat es zu 100 %. Ich orientierte mich an der ausgedruckten Map, die den Vorteil gegenüber den Beschilderungen hat, dass ich immer weiß, wann die nächste Abzweigung kommt. Ansonsten sind genügend Markierungen vorhanden, aber wenn man nicht vorbereitet und in seine Gedanken versunken ist, dann könnte es schnell passieren, dass eine Abzweigung verpasst wird.
 


    Soviel kann ich sagen. Der Weg heute hat die Erwartungen erfüllt. Nämlich jene, dass Schön etwas anderes ist. Aber das war mir von vornherein bekannt. Von meiner zeitlichen Möglichkeit her hatte ich mich für diesen Startpunkt entschieden. Und Lucca selbst hat natürlich enorm hohen Besichtigungswert. Um es kurz zu machen. Beinahe die gesamte Strecke führt an Verkehrsstraßen entlang. Einige davon stark frequentiert, ohne Gehsteig. Die nachfolgenden Bilder sind die positiven Ausnahmen.
 
 
 


Neben den Schildern der VF sind „Attenti al carne“ die Meistgesehenen. Und wie es der Teufel will, gleich am ersten Tag eine der von mir befürchteten Begegnungen mit diesen mir unheimlichen Wesen. Einem freilaufenden Hund passte es partout nicht in den Kram, dass ich in seiner Nähe vorbei wollte. Ich startete mit einem lauten Defcon 1: „Pfui!“, mit dem verzweifelten Versuch meinen Adrenalinausstoß dem Hund nicht anmerken zu lassen. Das imponierte ihm leider überhaupt nicht und er begann, wild bellend auf mich zuzulaufen. Also erhöhte ich meine Abwehrbereitschaft auf Defcon 2, indem ich auf seinen hoffentlich vorhandenen Instinkt zurückgriff. Ich fasste mit der Hand rasch auf den Boden und tat so, als ob ich Steine aufnehmen würde, um sie ihm nachzuwerfen. Nicht zum ersten Mal überraschte mich die Wirkung dieser Aktion. Der Hund nahm Reißaus und ward nicht mehr gesehen. Ein Hoch auf unsere Vorfahren, die offensichtlich schon vor mehreren Tausend Jahren eine passable Lösung gefunden haben. Defcon 3 blieb ungenützt. Einen Joker sollte man immer noch im Ärmel haben.
 
In Cappanori machte ich eine Pause in einer Pasticceria. Während ich in Lucca für einen Cappuccino € 3,50 bezahlte, kostete er mir in der Provinz nur mehr € 1,10. Aber von bester Qualität. Das sind Unterschiede!

In Porcari machte ich Mittagspause an einer schönen Kirche, der Parrocchia di Porcari.



Nach deren Besuch belohnte ich mich mit einem mehrgängigen Menü:

Antipasto: Biskotten aus Joghurtteig.
Primo: Flaumiges Küchlein.
Secondo: Brioche mit einem Hauch von Zitrone.
Dolce: Praliné di Fernet.

Im zweiten Bild in der Reihenfolge von oben nach unten.

 
 

 
Meine derzeit ständigen Wegbegleiter.


Irgendwie war das Menu dann doch nicht so sättigend, also nahm ich noch eine kleine Stärkung in einem Cafe ein. Was? Natürlich ein Cappuccino und dazu ein Brötchen mit Prosciutto und Fontina.

 
So ging es der Via Romana entlang. Viel Verkehr, wenig Gehsteig. In Turchetto, als meine Stimmung ohnehin schon langsam auf dem Tiefpunkt war, begegnete mir dieses einladende Straßenschild. Da fühlt man sich doch gleich herzlich aufgenommen.
 


Als ich mir dann schon überlegte, ob ich zukünftige Pilger von einem Start in Lucca abraten sollte, passierte etwas Schönes. Irgendjemand (Ich behaupte mal als gerechten Ausgleich, die Stadt Turchetto) hat einen wunderschönen Weg abseits des Straßenverkehrs angelegt. Ich hätte wie Gorm in die Luft springen können. „Ich bin entzückt!“ Das war eine richtige Freude. Ich war urplötzlich sowas von gut drauf, dass ich mich selbst kaum mehr aushalten konnte.


 
Leider war der Weg nur kurz. Er endete nach ein paar hundert Metern an einer Kirchenruine aus dem Jahr 952. Sie heißt San Stefano. Dort traf ich ein Paar. Der Mann sprach mich an und er erzählte mir, dass hier in den Sommermonaten Studenten aus Ohio und aus Italien über mehrere Monate Ausgrabungen machen würden. Mein Tipp: Eine geplante Pause dort einlegen.

Die Begleitung des Mannes, eine Brasilianerin, wollte dann noch unbedingt ein Foto mit mir machen. Sie habe vorher noch nie einen Pilger gesehen.
Was soll ich sagen? Ich auch nicht!

 
Sie wünschten mir alles Gute für den Weg und ich muss sagen, eine kurze aber sehr liebe Begegnung. Unterwegs überlegte ich mir, ob ich überhaupt ein Pilger bin. Und wie definiert sich ein Pilger? Ich denke, an einem der nächsten Tage werde ich mich dieser Frage philosophisch annähern und euch mein Ergebnis präsentieren.
Wenn ich ehrlich sein soll, ich habe heute aus der Entfernung doch schon ein Pilgerpaar gesehen. Zuerst waren sie ein paar hundert Meter hinter mir. Als ich meine erste Cappuccino-Pause einlegte haben sie mich überholt. Ich sah sie später noch aus der Weite. Irgendwann verlor ich sie aber aus den Augen.

Der restliche Weg war noch einige Zeit sehr angenehm. Aber dann ging es wieder an einer Straße entlang in Richtung Altopascio. Wenigstens mit wenig Verkehr, mit Gehsteig und schönen Häusern.

Gegen 14.00 Uhr kam ich in Altopasio an. Ich habe im Hotel da Paola ein schönes Zimmer bekommen. Ich teile zwar mein Bad mit Zimmergenossen aus dem Nachbarzimmer. Aber das soll kein Problem sein. Als Pilger bezahlte ich nur € 20,-. Ist das zu fassen?
Am Abend ging ich noch in eine Empfehlung der Vermieterin. Das Lokal - etwas außerhalb - gefiel mir gar nicht. Es hatte etwas von einer Discobar in einem Industriegebiet. Weil man Empfehlungen von Einheimischen aber Ernst nehmen sollte, wagte ich mich doch hinein. Dort erfuhr ich, dass das Lokal geschlossen sei. Die zweite geschlossenen Einheimischen-Empfehlung also in drei Tagen.
Sie empfahlen mir wiederum ein anderes Lokal im Zentrum. Es heißt "La Loccia". Es wurde vorwiegend von Einheimischen besucht, kann aber auch daran liegen, dass derzeit noch wenig Touristen anwesend sind. Jedenfalls wurden mir einfache Speisen der toskanischen Hausmannskost kredenzt. Ich habe mir die Wampe mit 6 verschiedenen Antipasti, Spaghetti Pirata (ziemlich scharf, aber ich mag es ja so) und eine Creme Catalana (Hiermit grüße ich Hannes - ist ja dasselbe wie Creme Brulee) vollgeschlagen, dass es mich jetzt noch schmerzt.
Als ich mich mit dem Kellner über die Weinbestellung unterhielt, erzählte er etwas von einer guten Grammatik. Ich meinte, dass ich nicht ganz verstehe. Er wechselte ins Englische und sprach wiederum von einer guten Grammatik. Ich fragte ihn, was das bedeute wenn ein Wein eine gute Grammatik habe. Er lachte und meinte, dass er nicht vom Wein sondern von meinem Italienisch gesprochen habe. Da konnte ich mir ein Lachen auch nicht mehr verkneifen.
Aber wenn ich mir so überlege: "Ah Signore, der Wein ist wunderbar! Sanft auf der Zunge, harmonisch im Abgang. Ein Hauch von Tabak mit leichten Brombeer-Aromen. Insgesamt eine gute Grammatik." Das werde ich mir für die nächste Weinbestellung in meiner Heimat vormerken. Mal schauen, was der Kellner dazu sagen wird.
Abgeschlossen mit Cafe und Grappa, begab ich mich mit straff gespannter Bauchdecke wieder zurück ins Hotel. 

Morgen geht es nach San Miniato. Beinahe 30 Kilometer. Also etwa 3 Stunden länger als heute. Das wird mal ein erster Prüfstein für mich werden. Der Weg dürfte richtig schön werden. Ich werde mir trotz mehrerer Einkehrmöglichkeiten etwas Proviant mitnehmen, um unterwegs in der Natur eine Pause zu machen, sofern das Wetter mitspielt.

Leider war meine geplante Unterkunft für morgen schon ausgebucht. Angeblich soll die Vermieterin so wunderbar kochen. Das ist echt schade. Die Wirtin hat mir aber bei einer Bekannten ein Zimmer reserviert. Sie versicherte mir am Telefon, ihre Bekannte sei eine „Signora pulita“.
Und damit komme ich zum heutigen Saluto speciale...
Hallo Marion, ich glaube, du hast heute Geburtstag. Daher alles Liebe  und die besten Grüße von mir aus Italien. Schöne Feier und gesund bleiben.

Gute Nacht

Andi

7 Kommentare:

  1. Danke für den ausführlichen Bericht, Andi. Schön, dass die Navigation ohne GPS so gut funktioniert. Den Anti-Köter-Boden-Steine-Griff muss ich mir merken.

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  2. Vielen Dank auch von mir nochmals für deine Hilfe.
    CU
    Andi

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  3. Attenti al carne? Angst vor Gammelfleisch oder meinst du doch cane? ;-)

    lg Armin

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    1. Oje, aber so kann man das natürlich auch sehen?

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  4. Schöner Bericht. Der gewisse "Witz" dabei macht sehr viel aus - SUPER!
    Bis bald und gut Fuß...... LG Lisi

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  5. Super Bericht! Freu mich jeden Abend, von dir zu lesen.

    Warnung vor dem Fleisch :-))!! Attenti al ca(r)ne :-).

    Good night, sleep tight! Lg, Caro

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  6. Hallo Andi, ich wünsche dir weiterhin einen guten Weg, schönes Wetter, gutes Essen und spannende Begegnungen - ausser mit Hunden natürlich! Danke für den Einblick in dein tägliches Pilger-Tagebuch und die schönen Bilder. Sie machen Lust, sich auch auf den Weg zu begeben...
    Liebe Grüße Ingrid

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